ORT-Infektion
Weltweit verbreitete, wirtschaftlich bedeutsame, hochansteckende, akut bis subakut verlaufende Infektionskrankheit der Pute (auch der Masthühner und Wildvögel), die sich vor allem durch exudativ („ausgeschwitzte“)-entzündliche Prozesse des oberen und unteren Atmungstraktes manifestieren.
Es kann zur Zeit zwischen 18 verschiedenen Serovaren unterschieden werden, wobei bei den Puten die Serovare A, B und D dominieren. Bezüglich der krankmachenden Eigenschaft unterscheidet man zwischen virulenten (krankmachenden), schwachvirulenten und avirulenten (nicht krankmachenden) Stämmen. Die Krankheit führt zu wirt-
schaftlichen Verlusten durch erhöhte Sterblichkeitsrate, erhöhte Medikamentenkosten und vermehrte Beanstandung bei der Schlachtung.
Verbreitung, Übertragung, Infektion
Fund des Erregers bei Enten, Gans, Saatkrähe, Möwen, Rebhuhn, Chukarsteinhuhn, Fasen, Wachtel, Perlhuhn und Strauß deuten auf ein breites Wirtsspektrum hin, so dass nicht nur Nutzgeflügel, sondern auch Wildvögel als Infektionsquelle in Betracht gezogen werden müssen.
Die Übertragung erfolgt von Tier zu Tier durch direkten Kontakt oder indirekt über belebte und unbelebte Vektoren. Der von erkrankten Tieren ausgeatmete Erreger kann auch über die Luft an Schwebstoffen haftend übertragen werden. Eine vertikale Übertragung über das Brutei wird vermutet, konnte aber bisher nicht abschließend bewiesen werden.
Ältere Jungputen und geschlechtsreife Zuchtputen sind offenbar krankheitsanfälliger, denn sie zeigen oftmals ein erheblich schwereres Krankheitsbild als Putenküken in den ersten Lebenswochen.
Bisherige Erfahrungen sprechen dafür, dass die Entstehung der Krankheit von den infizierten Schleimhäuten des Atmungstraktes ihren Anfang nimmt. Häufig bleiben Krankheitsprozesse auf die Organe des Atemtraktes beschränkt.
Ein Zusammenspiel mit anderen viralen und bakteriellen Erregern (E. coli, Bordetella avium, usw.) begünstigt die Entstehung und Entwicklung der Krankheit oder führt zur Verschlechterung des Krankheitsbildes.
Häufig tritt eine ORT-Infektion in Zusammenhang mit einer TRT-Infektion auf. Hierbei geht die TRT- Infektion meist der ORT-Infektion voraus.
Außerdem wird angenommen, dass ungünstige mikroklimatische Situationen, haltungsbedingte Mängel und andere Belastungen die Krankheitsentstehung begünstigen.
Klinisches Erscheinungsbild, Krankheitsverlauf
Puten erkranken meist erst ab der 12. Lebenswoche, sind jedoch bereits ab der 2. Lebenswoche empfänglich. In den meisten Fällen erkranken die Hähne.
Das Herdenbild ist gekennzeichnet durch einzelne Tiere, die ein stark gestörtes Allgemeinbefinden zeigen (verminderte Lebhaftigkeit, Hängenlassen der Flügel, gesträubtes Gefieder, verminderte Futter- und Wasseraufnahme) und später Festliegen. In der Herde hört man Atemwegsgeräusche und einzelne Tiere haben hochgradige Atemnot mit Schnabelatmung. Auch Nasenausfluß und Niesen sowie vermehrt dünnflüssiger Kot kann auftreten.
Augenausfluss und Anschwellungen des Sinus infraorbitalis (Unteraugenhöhle) im Zusammenhang mit vermindertem Wachstum, der Auswurf von blutig gefärbtem Schleim wenige Stunden vor dem Tod sowie kurz vor dessen Eintreten Zyanose (bläuliche Verfärbung) der unbefiederten Haut am Kopf können beobachtet werden.
Die Mortalität schwankt zwischen 1 bis 15%.
Eine Inkubationszeit unter Feldbedingungen lässt sich nicht angeben. Bei experimenteller Infektion betrug sie 1 bis 4 Tage. Das Krankheitsgeschehen ist in leichten Fällen nach einer Woche beendet. In hartnäckigen Fällen erstreckt sich der Verlauf über mehrere Wochen.
Zu beachten ist, dass ORT bei älteren Tieren (meist Putenhähnen) auch an Infektionen mit Gelenksentzündungen und entzündeten Sehnenscheiden beteiligt sein kann.
Ähnlichkeiten, Verwechslungen mit anderen Krankheiten
Alle Krankheiten, die in Zusammenhang mit Atemwegserkrankungen stehen, müssen ausgeschlossen bzw. abgegrenzt werden. Dies sind insbesondere die TRT-Infektion und Coliseptikämie, aber auch Pasteurellen, Riemerellen und Chlamydien sind abzugrenzen.
Bezüglich der Beteiligung bei Gelenksentzündungen sind unter anderem Staphylokokken,Streptokokken, Pasteurellen, Mykoplasmen und Reo-Viren als infektiöse Ursachen auszuschließen.
ORT- Pathologie
Bei verendeten Tieren sind in der Sektion stets Lungenödeme, ein- oder beidseitige eitrige Lungenentzündung zu sehen. Das Herz ist aufgrund entzündlicher Veränderungen mit einer serofibrinösen Masse umgeben (serofibrinöse Perikarditis).
Die Luftsäcke sind ebenfalls entzündlich verändert. Typisch hierbei das käsige/jogurtartige Material in den Luftsäcken.
Auch Sinusitis, Tracheitis (Luftröhrenentzündung) und Peritonitis (Bauchfellentzündung) treten auf.
Zusätzlich können Leber- und Milzschwellungen, Herzmuskeldegenerationen und Herzmuskelentzündungen sowie katarrhalische Enteritis auftreten.
Im Zusammenhang mit einer Bronchopneumonie kann es gelegentlich auch zum Auftreten von Blut in der Trachea, den Bronchien oder der Schnabelhöhle kommen.
Bei älteren Tieren kann die Infektion zu Gelenksentzündungen mit eitrigem Exsudat und entzündeten Sehnenscheiden führen.
ORT- Diagnose
Anamnese sowie klinische und pathomorphologische Befunde erlauben eine Verdachtsdiagnose. Zur Absicherung ist ein kultureller Erregernachweis in Verbindung mit eindeutiger Speziesbestimmung erforderlich. Bewährt haben sich hierfür Trachealabstriche und Material von Lungen und Luftsack in der akuten Erkrankungsphase unbehandelter Tiere.
Da die Isolierung dennoch häufig schwierig ist, werden Proben auch häufig parallel in der PCR auf ORT untersucht.
Behandlung
Eine Antibiotikatherapie ist erforderlich, um wirtschaftliche Schäden zu reduzieren.
Im Labor weist O. rhinotracheale in Bezug auf die Empfindlichkeit gegenüber verschiedenen Antibiotika und Chemotherapeutika große Unterschiede auf. Die Sensitivität hängt hierbei vom Ursprung des Isolates (Land, Spezies) sowie auch von den dort regelmäßig eingesetzten Chemotherapeutika ab. Ein Resistenztest sollte nach erfolgreicher Isolierung daher immer gemacht werden.
Die großen Unterschiede bezüglich der Wirksamkeit verschiedener Antibiotika erschweren daher die Behandlung einer ORT-Infektion durch die inkonstante Empfindlichkeit der Stämme. Offenbar bilden sich auch schnell Resistenzen, daher muss der verantwortliche Erreger, wie oben erwähnt, im Antibiogramm überprüft werden.
Unter Feldbedingungen hat sich in letzter Zeit der Einsatz von Amoxicillin, Doxycylin und Tylosin zur Behandlung der Atemwegserkrankung als wirksam erwiesen. Behandlungen der Gelenksentzündungen sind hingegen schwierig.
Prophylaxe
Der Einsatz von inaktivierten bestandsspezifischen Impfstoffen von auf dem betroffenen Betrieb isolierten ORT-Stämmen hat sich in letzter Zeit als sehr gute Maßnahme zur Bekämpfung der Atemwegssymptomatik erwiesen. Hingegen ist der Einsatz des Impfstoffs bei Gelenksproblemen bisher nicht erfolgreich.
Ein weiterer Schwerpunkt der Bekämpfung bleibt auch weiterhin die Optimierung von Haltungs- und Hygienebedingungen und in der Ausschaltung aller schwächenden Umwelteinflüsse. Durch gezielte Reinigung und Desinfektion muss die Infektionskette unterbrochen werden. Auch auf die strikte Trennung verschiedener Altersgruppen bzw. von Aufzucht und Mast ist achten.
Dr. Christina Popp
Dipl. ECPVS
Fachärztin für Geflügel
Bestandsbetreuung Wirtschaftsgeflügel
christinapopp@hotmail.com